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Das KiSS-Syndrom bei Babys: Symptome, Behandlung & Kritik

KISS-Syndrom

Ein Säugling, der scheinbar ohne Grund ständig weint, stellt für Eltern eine große Belastung dar. Bei der Suche nach einer Erklärung für das Verhalten ihres Babys stoßen die verzweifelten Eltern früher oder später sicher auf das KiSS-Syndrom. Diese Fehlstellung der Halswirbelsäule soll eine Ursache für ausgeprägtes Schreien bei Babys sein. Doch seine Diagnose und Behandlung sind umstritten.

Das Wichtigste in Kürze

  • Das KiSS-Syndrom beschreibt eine Fehlstellung und/oder Blockade der Kopfgelenke.
  • Ursache können unter anderem Fehlbelastungen der Wirbelsäule im Mutterleib oder unter der Geburt sein.
  • KiSS führt zu Asymmetrien in der Körperhaltung und Bewegung des Säuglings.
  • Es wird außerdem verantwortlich gemacht für unerklärliches Schreien und Stillprobleme.
  • Die Behandlung erfolgt über eine sanfte manuelle Therapie.
  • Aber: Das KiSS-Syndrom ist medizinisch nicht anerkannt. Ärzte zweifeln am Krankheitsbild und der Behandlung. Krankenkassen übernehmen die Therapie-Kosten meist nicht.

Um es gleich zu Beginn zu sagen: das KiSS-Syndrom ist umstritten. Die Schulmedizin erkennt es nicht als Diagnose an, dafür gäbe es zu wenig wissenschaftliche Studien und Beweise. Alternativ- und Manualmediziner hingegen diagnostizieren und therapieren „KiSS-Kinder“ seit rund 30 Jahren und berichten von Behandlungserfolgen. Mehr dazu später. Zunächst wollen wir dir erklären, was du dir unter dem KiSS-Syndrom vorstellen kannst. 

Was ist das KiSS-Syndrom?

Als KiSS-Syndrom (= Kopfgelenk induzierte Symmetrie Störung) wird eine Funktionsstörung der Kopfgelenke beim Baby bezeichnet. Das Problem liegt im Bereich der ersten beiden Halswirbel, Atlas und Axis. Schädel und Atlas sowie Atlas und Axis sind jeweils über die sogenannten Kopfgelenke miteinander verbunden. Gibt es in diesem Bereich eine Fehlstellung oder Blockade, führt dies zum KiSS-Syndrom. Etwa 30 Prozent der Neugeborenen haben Probleme im Bereich der Halswirbelsäule, 5 bis 8 Prozent davon seien behandlungsbedürftig.

Man unterscheidet 2 Arten: KiSS I und KiSS II. Beide ähneln sich in ihren Symptomen stark und treten oft zusammen auf. Bei KiSS I haben sich die Kopfgelenke und Halswirbel so verschoben, dass das Baby den Kopf nicht oder schlecht drehen und neigen kann. Es nimmt eine Schonhaltung ein. Bei KiSS II sorgt die Blockade für eine Überstreckung des Babys. 

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Symptome: Wie zeigt sich das KiSS-Syndrom bei Babys?

Die Gelenk-Funktionsstörung verursacht diverse Haltungsauffälligkeiten beim Baby. Dazu zählen:

  • unsymmetrische Körperhaltung (C-Haltung, C-Skoliose oder Rückbeuge)
  • Schiefhals (Torticollis)
  • deutliche Lieblingsseite
  • einseitige Schlafhaltung
  • einseitige Abplattung des Hinterkopfs und Haarabrieb
  • Gesichts- oder Schädelasymmetrien

Auch im Verhalten des Babys kann sich KiSS bemerkbar machen:

  • exzessives Schreien
  • Ein- und Durchschlafschwierigkeiten
  • Still- oder Fütterprobleme 
  • Vermehrtes Sabbern
  • Vermehrtes Spucken
  • sonstige Entwicklungsstörungen

Zudem zeigen die betroffenen Babys Auffälligkeiten in der motorischen Entwicklung. So würden sie laut Vertretern der KiSS-Theorie nur wenig mit ihren Füßen spielen, da die Beuge des Körpers ihnen Probleme bereitet. Sie hätten Probleme mit der Bauchlage, mit dem Drehen und späteren Aufstützen. Zwar würden sie diese Entwicklungsstufen meist bewältigen, aber oftmals unkoordiniert und in verspannter, überstreckter Haltung. Das Krabbeln überspringen sie oft, ziehen sich dafür aber schon früh in den Stand hoch.

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Die Diagnose KiSS kann nicht anhand eines bestimmten Symptoms festgemacht werden. Eher treten mehrere dieser Anzeichen zusammen auf und zeichnen das Bild der Wirbel-Fehlstellung. Es ist aber auch möglich, dass sie eine andere Ursache haben wie Säuglingskoliken.

Spätfolgen von KiSS im Kinder- und Erwachsenenalter

Unentdeckt und unbehandelt würde sich das KiSS-Syndrom später zum KiDD-Syndrom (Kopfgelenk induzierte Dyspraxie und Dysgnosie) entwickeln. Im Vor- und Grundschulalter soll es dann für Lern- und Bewegungsstörungen der betroffenen Kinder verantwortlich sein. Außerdem kann es Kopfschmerzen und Schwindel verursachen und Auffälligkeiten im Sozialverhalten erklären können.

Ursachen & Risikofaktoren

Wie kommt es zum KiSS-Syndrom? Die Fehlstellung kann sich vor, während und nach der Geburt einstellen:

Vor der Geburt, wenn das Baby ungünstig im Mutterleib liegt, zum Beispiel in Querlage. Auch in Beckenendlage oder Schädellage kann sich das Baby so verkanten, dass Druck auf den Kopf und den Halswirbel ausgeübt wird.

Während der Geburt, wenn die Halswirbel dabei zu stark belastet werden, zum Beispiel wenn das Baby gezogen wird. Das kann bei vaginalen und Kaiserschnitt-Geburten der Fall sein. Auch Geburtshilfe per Kristeller-Handgriff (Druck von außen auf den Bauch), Saugglocke oder Zange kann KiSS verursachen. Als Risikofaktoren für das KiSS-Syndrom werden zudem ein hohes Geburtsgewicht (> 4.000g), eine kurze Austreibungsphase (Sturzgeburt) oder eine sehr lange Geburt genannt.

Nach der Geburt, wenn Komplikationen auftreten, die eine Beatmungen oder Operation nötig machen. Beides könnte die Halswirbel reizen.

Behandlung des KiSS-Syndroms

Da das KiSS-Syndrom medizinisch nicht offiziell anerkannt ist, werden auch nur wenige Kinderärzte die Diagnose stellen. Häufig sind es Hebammen oder Alternativmediziner, die ein KiSS-Syndrom in Erwägung ziehen. Um es zu lösen, kann eine manuelle Therapie erfolgen. Ihr Ziel ist es, die Blockaden sowie entstandene Verspannungen zu lösen und die Schiefhaltung zu korrigieren. Es gibt verschiedene Therapie-Verfahren, die hier eingesetzt werden können. Dazu gehören:

  • Osteopathie
  • Atlastherapie nach Arlen
  • Manualtherapie nach Gutmann
  • Craniosacraltherapie
  • Chiropraktik

Teilweise erfolgt auch eine Kombination der einzelnen Therapien miteinander. Dabei werden bestimmte Punkte der Wirbelsäule abgetastet und leicht gedrückt. So sollen die Fehlstellungen gefunden und sanft behoben werden. Oft reicht schon eine Sitzung aus, um Besserung der Fehlhaltung zu erzielen. Manchmal sind mehrere Behandlungen nötig. 

KiSS-Therapeuten weisen darauf hin, dass es nach der Behandlung zu einer Reaktionsphase kommen kann. In dieser Zeit kann sich eine Verschlechterung und Verstärkung der Symptome zeigen. Grund dafür sei der Adaptionsprozess. Der kindliche Organismus muss sich erst umstellen, was bis zu 2 Wochen dauern kann.

Bitte lasse die Therapie ausschließlich von einem erfahrenen Experten mit dem Therapieschwerpunkt „Babys“ durchführen!

Wer übernimmt die Kosten für die KiSS-Behandlung?

Die Kosten für die Therapie müssen von Eltern oft allein getragen werden, da Krankenkassen das KiSS-Syndrom nicht anerkennen. Abhängig vom Therapeuten liegen die Kosten bei bis zu 300 Euro. Es kann jedoch sinnvoll sein, bei der Krankenversicherung nachzufragen, ob eine Kostenübernahme (teilweise) möglich ist. Das kann davon abhängig sein, wer die Therapie durchführt, ob etwa ein erfahrener Orthopäde oder ein Osteopath. Frage am besten bei deiner Krankenkasse nach.

Gibt es Hausmittel oder einfache Übungen für zu Hause?

Nein, bisher nicht. Da die Halswirbel sensible Bereiche sind, solltest du auf jeden Fall davon absehen, selbst Hand anzulegen! Überlasse dies bitte Spezialisten. Wichtig ist, dass du dein Baby in seinem Schmerz nicht allein lässt, es tröstest und beruhigst.

„Mode-Diagnose“ KiSS-Syndrom? Die Kritik

Wie schon erwähnt, hat das KiSS-Syndrom in der Schulmedizin kaum Fürsprecher. Es fehlen stichhaltige Studien zur Diagnose und Behandlung des Syndroms, weshalb es nicht offiziell als Krankheitsbild anerkannt wird. Ärzte und Wissenschaftler stellen die Verbindung zwischen einer Wirbel-Fehlstellung und den genannten Störungen infrage. Sie weisen darauf hin, dass eine leichte Verschiebung der Wirbel bei einem Säugling normal sei. Im Laufe der Wachstumsphase rücken die Wirbel von allein wieder an die richtige Stelle.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Behandlung des KiSS-Syndroms. Sie ist stark vom ausführenden Therapeuten abhängig und es gibt keine einheitlichen Richtlinien. Zudem sei die Manipulation der Halswirbelsäule gefährlich und berge Verletzungspotenzial. KiSS-Befürworter argumentieren dagegen, dass Komplikationen durch die explizit leichten Bewegungen und den sanften Druck unwahrscheinlich seien. Woraufhin Kritiker erwidern, wie eine so minimale Behandlung dann so weitreichende Verbesserungen des körperlichen Zustands des Säuglings hervorrufen solle, wie KiSS-Therapeuten sie versprechen.

Du siehst also, es gibt Streit. Regelmäßig werden Stellungnahmen beider Seiten veröffentlicht, die die Argumente der Gegenseite entkräften sollen. Ob du dem KiSS-Syndrom als Erklärung für Probleme deines Babys eine Chance gibst oder skeptisch bleibst, musst du am Ende selbst entscheiden.

Wichtig ist, dass die vermeintliche Diagnose KiSS-Syndrom nicht dazu führt, dass andere Störungen und schwerwiegende Erkrankungen nicht oder zu spät erkannt werden. Insbesondere ein echter Schiefhals oder eine Skoliose gehören in professionelle ärztliche Behandlung. Bevor du also eine KiSS-Therapie in Erwägung ziehst, sollten andere Probleme vom Kinderarzt ausgeschlossen werden. Außerdem ist es wichtig, dass du die Behandlung deines Babys nur in erfahrene Hände legst. 

🎧 Podcast: Wann ist Osteopathie für Babys sinnvoll?

In dieser Folge spricht unsere Podcasterin Emmi mit Osteopath und Physiotherapeut Kay Ludwig darüber, was ein Osteopath eigentlich macht und wann es für Eltern sinnvoll ist, einen Osteopathen aufzusuchen.

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Was ist deine Erfahrung mit dem KiSS-Syndrom? Schreib sie uns in die Kommentare!

Quellen

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✔ Inhaltlich geprüft am 13.02.2023
Dieser Artikel wurde von Georg Bretzel geprüft. Wir nutzen für unsere Recherche nur vertrauenswürdige Quellen und legen diese auch offen. Mehr über unsere redaktionellen Grundsätze, wie wir unsere Inhalte regelmäßig prüfen und aktuell halten, erfährst du hier.

Veröffentlicht von Patricia Schlösser-Christ

Patricia widmet sich als Kulturanthropologin mit Leidenschaft der Kindheits- und Familienforschung. Ihre liebsten (und herausforderndsten) „Studienobjekte“ sind ihre beiden kleinen Töchter. Wenn sie nicht gerade Feldforschung im Kinderzimmer ihrer kleinen Rasselbande betreibt, powert sie sich beim Handball aus.

2 Kommentare anderer Nutzer

  1. Thema KISS:
    Wir haben ein Kiss Kind, das nun mittlerweile 9 Jahre alt ist. Hätten wir manche Dinge früher gewusst, wäre uns viel erspart geblieben. Denn obwohl wir gleich nach der Geburt zur Physio und zur Osteopathie sind, haben wir das Kiss erst im Alter von 4 Jahren durch einen erfahrenen Chiropraktiker lösen können und unser Sohn hatte auch danach immer wieder Nackenprobleme und Blockaden in der HWS und eine Skoliose, natürlich auch Konzentrationsschwierigkeiten & Co . Vor ca. einem Jahr wurde uns dann endlich von unserem Chiropraktiker gesagt, dass vermutlich durch das KISS frühkindliche Reflexe wie zum Beispiel der TLR (Nackenreflex) nicht abgebaut wurden und daher die Fehlstellung immer wieder kommt. Seit 8 Mon. machen wir jetzt eine Reflexintegrationstherapie und endlich hat unser Kind keine Schmerzen mehr, in der Schule geht es stark aufwärts und die Haltung ist viel besser geworden. Daneben sind wir begleitend noch alle 6 Wochen (früher: wöchentlich!) entweder beim Chiropraktiker oder Osteopath.

    Auch wenn die Blockade bei uns sehr hartnäckig war und unser Sohn ggf ein Sonderfall, kann ich nur allen Eltern raten:

    – Bald nach der Geburt zur Osteopathie UND Chiropraktik (Der Ansatz ist etwas unterschiedlich)
    – Danach jährlich oder nach Unfällen (Knochenbrüche, schwere Stürze) zum Checkup bei Osteopathie UND Chiropraktik , auch wenn alles normal scheint
    – Bei Auffälligkeiten wie Anzeichen von ADHS, Leseproblemen, Haltungsprobleme, Konzentrationsprobleme, soziale Probleme, extreme Schüchternheit auch daran denken, dass das Nachwirkungen von KISS sein können und/oder ggf. frühkindliche Reflexe noch vorhanden sind.
    Diese können durch eine Reflexintegrationstherapie wieder integriert werden. (Die Ergotherapie hat hier nach meiner 4-jährigen Erfahrung nach keine Ansatzpunkte, hier wurde nur an den Auswirkungen wie Stifthaltung gearbeitet, jedoch nicht an die Ursache (Integration der Reflexe) gearbeitet.
    Ich denke wir sind jetzt endlich auf einem guten Weg, ich wünsche allen Kindern und Eltern alles Gute!

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